ANSICHTSACHE +++ es kommt nicht auf die Pixel an

Reiner DRUMM -Fotografie

Ausschnitt aus der Laudatio von Jörg Staiber:

...„Ansichtssache - es kommt nicht auf die Pixel an!“ So hat Reiner Drumm diese Ausstellung überschrieben. Es kommt nicht auf die Pixel an! Diese Aussage wäre vor 15 Jahren, als ich in die Redaktion der Nahe-Zeitung kam, wohl nicht möglich gewesen, sie hätte keinen Sinn gemacht. Die digitale Fotografie steckte noch in den Kinderschuhen und hatte kaum eine Relevanz. Das hieß für Reiner Drumm wie für viele seiner Kollegen ganz praktisch, dass er mindestens einmal am Tag in die Dunkelkammer gehen musste. Dort war nach der eigentlichen Aufnahme ein zweites Mal das handwerkliche Können des Fotografen gefordert. Die Entwicklungsdauer des Films, die Temperatur und das Alter des Entwicklers, die Wahl des Fotopapiers, die Helligkeit und Dauer seiner Belichtung – all das, was heute über das Verschieben virtueller Regler am Computer vonstatten geht - hatte Einfluss auf das Resultat. Und dieses Resultat wurde erst nach einem besonderen – man kann schon fast sagen: magischen – Vorgang sichtbar. Es dauerte einige Sekunden, dann erschien auf dem weißen Papier im roten Licht der Dunkelkammer ganz langsam ein Bild. Wie eine Erscheinung, die aus dem Nebel auftaucht, erst schemenhaft, dann mit immer deutlicheren Konturen, bis schließlich das Bild „ausgereift“ war. Und dann galt es den richtigen Moment abzupassen und diesen Prozess abzubrechen. Diese Prozedur gehörte damals noch zum alltäglichen Handwerk des Pressefotografen.

Unter den Bildern, die wir heute sehen, sind allerdings kaum typische Pressefotos, gezeigt werden vor allem künstlerisch ambitionierte Aufnahmen. Allerdings ist dieser Übergang fließend.

Da sind etwa die Momente beim Besuch des amerikanischen Präsidentenpaares Bill und Hillary Clinton bei den US-Soldaten in Baumholder. Der Betrachter spürt die Gelöstheit des Präsidenten vom politischen Alltagsstress bei seinem Bad in der Gruppe seiner Soldaten, mitten unter ihnen auch der Fotograf. Und man fühlt die geradezu ausgelassene, von jedem Protokoll befreite Stimmung der Präsidentengattin bei der Begegnung mit den Soldatenfrauen. Beides sind Aufnahmen, in denen es Reiner Drumm gelungen ist, Situationen und Stimmungen jenseits der offiziellen Hoffotografie einzufangen, in denen er die sonst übliche Distanz überwindet. Fotos, in denen der Betrachter unmittelbar emotional in das Geschehen hineingezogen wird.

Und da ist etwa die Aufnahme des Kindes mit dem Vater, der gerade aus dem Irak-Krieg heimgekommen ist. Als aktuelles Zeitungsfoto wäre es vermutlich allein aufgrund der Unschärfe gleich aussortiert worden. Als Impression des Augenblicks wirkt das Bild aber auch nach Jahren noch: Das Glück des Vaters, sein Kind nach der Gefahr und Ungewissheit des Kriegseinsatzes wiederzusehen zu dürfen, das schlichte Glück des Kindes darüber, dass der Vater endlich wieder zu Hause ist.

Das alles sind Aufnahmen, die in einem Spannungsfeld von Öffentlichkeit und Intimität stehen, in denen der Fotograf gleichermaßen zeitgeschichtlicher Chronist wie einfühlsamer Porträtist ist. Dieser Übergang findet sich vielleicht am eindrucksvollsten in einem Bild wieder, das in dieser Ausstellung auch ganz passenderweise zwischen dem heimkehrenden US-Soldaten und den Porträtaufnahmen im engeren Sinne platziert ist. Es handelt sich um das Foto von einem Auftritt des bekannten Kabarettisten Jochen Busse. Das Bild ist zunächst einmal geprägt von der fast größtmöglichen Distanz zwischen dem Scheinwerfer, der den Bühnenkünstler ganz buchstäblich ins beste Licht rücken soll, und dem Gesicht diesen Menschen. Nehmen Sie sich die Zeit, dieses Gesicht einmal genauer anzuschauen und überlegen Sie, was Sie darin sehen.

Alle bisher erwähnten Aufnahmen haben eines gemeinsam: Sie sind entstanden unter den typischen Arbeitsbedingungen eines Fotoreporters. In der hat dieser keinen Einfluss auf das Geschehen, auf die Umgebung, auf die Lichtverhältnisse, ja oft nicht einmal auf die Perspektive, die Position oder die Entfernung, aus denen er die Fotos macht. Die Kunst des Fotografen besteht dann zum einen darin, aus dieser ihm weitgehend aufgezwungenen Situation das Beste zum machen. Und zum anderen darin, genau im richtigen Moment auf den Auslöser zu drücken. Beides klappt nicht immer, aber bei diesen Fotos ist es Reiner Drumm so gut gelungen, dass die Aufnahmen weit über den jeweils festgehaltenen Moment hinausweisen....

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